Schweizer Tilsiter


Tilsiter ist ein Schnittkäse aus Kuhmilch, der sowohl in der Schweiz als auch in Deutschland und in anderen Ländern produziert wird. Alle Varianten haben ihren Namen vom kleinen ostpreußischen Städtchen Tilsit (Heute Sowetsk in Russland) und haben wohl auch dort ihren Ursprung.

Der Schweizer Tilsiter unterscheidet sich jedoch von Tilsitersorten aus anderen Ländern in Geschmack und Aussehen deutlich.

Geschichte des Tilsiter

Die Geschichte des Tilsiter-Käses beginnt zu Beginn des 18. Jahrhunderts im ostpreußischen Tilsit, heute das zu Russland gehörende Sowetsk. Von 1709 bis 1711 wurde ganz Ostpreußen Opfer einer Postepidemie. Der Pest fielen rund ein Drittel der Bevölkerung zum Opfer und die Landwirtschaft erlitt massive Verluste.

Einwanderer aus den Niederlanden, der Schweiz und aus Österreich

Um den Bevölkerungsverlust wieder auszugleichen, versuchte man, Einwanderer aus anderen europäischen Ländern ins Land zu holen. Man gab sich in religiösen Fragen sehr tolerant, so dass Ostpreußen für Glaubensflüchtlinge aus ganz Europa ein attraktives Ziel wurde. Vor allem Menoniten aus den Niederlanden fanden in Ostpreußen eine neue Heimat. Diese kamen ab 1713 mit insgesamt 105 Familien in die Region und stellten dort ihren „Menonitenkäse“ her. 1731 erging im Fürsterzbistum Salzburg ein Ausweisungserlass und 20.000 Protestanten mussten fliehen. Auch sie siedelten in Ostpreußen an.

Aus der Schweiz kamen zahlreiche arme Bauern, Knechte und Mägde in die Region, die sich hier ein besseres Leben erhofften. Die Schweizer wurden zum Teil im 19. Jahrhundert von der preussischen Regierung angeworben, um der darbenden preussischen Käseproduktion auf die Sprünge zu helfen. Sie verdingten sich in Ostpreußen als Knechte, Mägde oder Melker oder arbeiteten als Käser oder Bauern. Vor allem die schweizer Melker, die es gewohnt waren, die Kuh umfassend ringsum zu pflegen und zu betreuen, waren als Arbeitskräfte in der Landwirtschaft sehr begehrt. Bis heute tragen die (vorwiegend weiblichen) russischen Melkerinnen die Berufsbezeichnung Швейцарская (Schweizarskaja = Schweizer).

Die Schweizer, die Niederländer und die Österreicher brachten ihr Molkereihandwerk mit nach Ostpreußen und begannen damit, in der Region Tilsit verschiedene Käse, die sie aus ihrer Heimat kannten, herzustellen. Bald gab es also Gouda, Edamer, Limburger, Brioler und Schweizer Käse in Tilsit. Da die Käser aber in Ostpreußen weder die gewohnte Qualität der Rohstoffe noch die geeigneten Produktionsmittel vorfanden, begannen sie, mit verschiedenen Mischformen aus ostpreußischen, niederländischen und schweizer Käsen zu experimentieren. Wahrscheinlich ist auch der Tilsiter das Ergebnis solcher Experimente. Möglicherweise stammen der Teig und die Lochung vom Gouda und die rötliche Schmiere vom Limburger.

Vor 1845 eröffnete in Plauschwarren/Milchbude bei Tilsit eine gewisse Frau Westphal, geb Klunk (um 1790 – 1845)  aus der Schweiz, Molkereibesitzerin in Tilsit seit 1840, eine Käserei. Diese hatte zuvor auf dem Gut Brijohlen bei Tilsit den Brijolehner Käse entwickelt, ein damals 600 bis 700 Gramm schwerer Weichkäse nach Limburger Art. Dieser Käse gilt als Vorläufer des Tilsiter Käses.

Landwirtschaftliche Veränderungen in der Schweiz

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts begann sich die Landwirtschaft in der Schweiz radikal zu verändern. Durch den Ausbau der Eisenbahn und der Schifffahrt kam immer mehr billiges Getreide ins Land, so dass der Getreideanbau in den Schweizer Tälern nicht mehr rentabel war. Gleichzeitig wuchs die Nachfrage nach Milch stetig, da die wachsende Bevölkerung zunehmend in der Industrie tätig wurde.

Durch diese Umwälzungen begann man auch in den Schweizer Tälern zunehmend mit der Milchwirtschaft. Um die produzierte Milch haltbar zu machen, verarbeitete man sie zu Käse. Produktionsüberschüsse beim Käse konnte ließen sich auch leichter ins Ausland verkaufen. Die Milch- und Molkereiwirtschaft wuchs zu lasten des Ackerbaus stetig. Betrug im Jahr 1852 das Verhältnis zwischen Ackerbau- und Milchwirtschaftsland im Kanton Thurgau noch 3:2, hatte es sich 1890 bereits umgedreht. 1886 gab es im Kanton bereits 130 Käsereien, die vor allem Emmentaler herstellten.

Im Jahr 1890 machen sich der Schweizer Käsehändler Otto Wartmann und der Käser Hans Wegmüller unabhängig voneinander auf den Weg nach Ostpreußen, um die dortige Käsewirtschaft zu besichtigen und sich weiter zu bilden. Auf ihren Reisen müssen beide den ostpreußischen Tilsiter kennengelernt haben.

Nach ihrer Rückkehr in die Schweiz im Jahr 1893 stellten Otto Wartmann auf dem Holzhof, Gemeinde Amlikon-Bissegg und Hans Wegmüller in Herrenhof, Gemeinde Langrickenbach im Kanton Thurgau unabhängig voneinander den ersten Tilsiter in der Schweiz her. Dabei veränderten sie das Rezept jedoch stark, so dass aus dem Tilsiter ein echter Schweizer Käse wurde. So änderten sie zum Beispiel die ursprüngliche rechteckige Brotform in die typisch schweizerische runde Laibform.

Der Tilsiter gewann rasch an Popularität und löste in großen Teilen den damals hauptsächlich hergestellten Emmentaler ab. Der Tilsiter war leichter herzustellen und benötigte eine kürzere Reifung als der Emmentaler und war damit billiger. So entwickelte sich der Tilsiter innerhalb kurzer Zeit zu einem Käse, der in der Schweiz sehr beliebt wurde. Der Schweizer Tilsiter wurde daher auch vor allem von den Einheimischen gegessen, während der länger haltbare Emmentaler vor allem exportiert wurde. Der Kanton Thurgau gilt heute als Heimat des Schweizer Tilsiters.

Tilsiter aus der Schweiz und andere Tilsiter-Arten

Der Käse verbreitete sich rasch in der Eidgenossenschaft. 1903 wurde bei der Landwirtschaftsausstellung 17 verschiedene Tilsiter angeboten. Diese unterschieden  sich zum Teil sehr deutlich voneinander und waren qualitativ wohl nicht immer befriedigend. Erst mit dem Inkrafttreten der ersten Tilsiter-Marktordnung im Jahr 1948 begann man die Herstellung zu standardisieren und Qualitätsanforderungen zu stellen.In den 1960er Jahren begannen einige Hersteller damit, neben Tilsiter aus Rohmilch auch solchen aus pasteurisierter Milch herzustellen. Bei diesem war es leichter, die Qualität gleichbleibend zu halten.

Ab dem Jahr 1966 ist die Unterscheidung zwischen Rohmilch-Tilsiter und Past-Tilsiter auch optisch möglich: Tilsiter aus Rohmilch erhalten ein rotes, Tilsiter aus pasteurisierter Milch enthalten ein grünes Laibetikett. 1967 werden Tilsiter-„Kasein­-Plättchen“ zur Kennzeichnung von Tilsiter-Käse ab Produktion eingeführt.

Im Jahr 1973 wird erstmals Rahmtilsiter in einer nennenswerte Menge von ca. 500 Tonnen hergestellt und etabliert sich als dritte Sorte Schweizer Tilsiter. Der Rahmtilsiter bekommt im Jahr 1978 ein gelbes Laibetikett.

Seit 1993 ist der Schweizer Tilsiter unter den Namen „Tilsiter Switzerland“ als Marke geschützt. 2007 wurden in der Schweiz etwa 4.000 Tonnen Tilsiter hergestellt. Der Großteil der Produktion bleibt im Land, lediglich etwa 700 Tonnen kommen in den Export, vor allem nach Deutschland und Österreich. (Quelle: Association Patrimoine Culinaire Suisse, Lausanne)

Da der Name „Tilsiter“ selbst aber nicht geschützt ist, wird der Käse auch in Deutschland, Dänemark und anderen Ländern hergestellt. Dieser unterscheidet sich jedoch deutlich vom Schweizer Tilsiter: Tilsiter anderer Länder weist meistens viele winzige, unregelmäßige, schlitzförmige Löcher auf, er wird bei der Herstellung nicht gepresst und die Laibe sind nicht rund, sondern haben eine längliche Blockform. Die nicht-schweizer Tilsiter reifen in einer Folie ohne Schmierung nur von innen nach außen. Sie sind auch vom Geschmack mit Schweizer Tilsiter nicht vergleichbar.

In der Schweiz gibt es derzeit 21 Familienbetriebe und gewerbliche Dorfkäsereien, die Tilsiter herstellen. 14 davon stellen Rohmilch-Tilsiter mit rotem Etikett her, 7 Tilsiter mit pasteurisierter Milch und gelbem oder grünem Etikett.  (Quelle: tilsiter.ch)

Tilsit liegt jetzt in der Schweiz

Nachdem das ehemalige ostpreußische Tilsit, das dem Tilsiter seinen Namen gab, 1946 von den Sowjets den Namen Sowetsk bekam, verschwand der Name Tilsit über 60 Jahre von den Landkarten. Im Jahr 2007 wurde ein kleines Stück Land im Weiler Holzhof in Thurgau in einem symbolischen Akt in „Tilsit“ umbenannt. Die Ortstafeln erinnern nun daran, dass hier Otto Wartmann 114 Jahre zuvor den ersten Tilsiter der Schweiz hergestellt hat.

Herstellung des Schweizer Tilsiters

Zur Herstellung von Schweizer Tilsiter wird traditionell Rohmilch aus der Melkung vom Abend und vom Morgen verwendet. Noch heute macht Rohmilch rund die Hälfte der Schweizer Tilsiterproduktion aus. Pasteurisierter Milch wird vor Produktionsbeginn häufig noch extra Rahm hinzugegeben.

Die Milch wird für etwa 30 Minuten auf 32°C erwärmt und dann mit einer standardisierten Milchsäurebakterienkultur versetzt. Nach weiteren 30 Minuten wird die Milch mit Lab dick gelegt. Dies dauert weitere 30 Minuten.

Die Gallerte wird dann mit der Käseharfe in etwa maiskorngroße Körner geschnitten. Den Bruch erhitzt man dann unter Rühren auf 43° bis 45°C, so dass die Molke besser abfließen kann. Anschließend wird der Bruch in runde Formen gefüllt und 20 Minuten gepresst, dann gewendet und noch einmal 20 Minuten gepresst. Während der Pressung bekommt der Käse auch seinen sogenannten Käsepass, mit dem jeder Laib bis zum Käser zurückverfolgt werden kann.

Der Käse wird dann in der Form warm für etwa 24 Stunden gehalten, damit die Milchsäurebakterien weiter arbeiten können und der gewünschte Säuregehalt erreicht wird. Der Käse wird dann für 24 bis 48 Stunden in eine Salzlake getaucht.

Die Käselaibe reifen dann für etwa 2 Monate auf Holzbrettern bei einer Temperatur von 14°C und einer Luftfeuchtigkeit von etwa 92%. Während dieser Zeit wird der Tilsiter regelmäßig mit der so genannten Sulz, die aus Salzwasser und Schmierekulturen besteht, geschmiert. Nach der Reifung kommt der Tilsiter zu Käsehändlern, in deren Lagerkeller der Käse fertig ausreift. Je nach Sorte reift der Tilsiter verschieden lang, bis er seinen Geschmack voll entfaltet hat. Am längsten bleibt der rezente „Tilsiter surchoix“, der 180 Tage reift, in den Käsekellern.

Aussehen und Geschmack

Fertig gereifter Schweizer Tilsiter hat eine runde Form von etwa 25 cm Durchmesser und einem Gewicht von etwa vier bis fünf Kilogramm. Die Rinde ist dünn, feucht und hat eine rötlich-brauen Farbe. Der Teig besitzt feinschnittige, kleine, runde Löchern. Der Fettgehalt beträgt 48% i. Tr.

Anstelle der traditionellen Rohmilch wird heute knapp die Hälfte der Tilsiter aus pasteurisierter Milch hergestellt, der zum Teil noch Rahm zugefügt wird. Tilsiter aus pasteurisierter Milch ist sehr mild im Geschmack. Die Lagerung dauert beim Tilsiter aus pasteurisierter Milch und Rahmtilsiter zwischen einem und drei Monaten. Die Laibe werden in den Käsereien fertig gereift.

Insgesamt werden drei verschiedene Hauptsorten Schweizer Tilsiter hergestellt, die man an der Farbe des Etiketts erkennen kann: Schweizer Tilsiter aus Rohmilch wird mit einem roten Etikett angeboten, Tilsiter aus pasteurisierter Milch hat ein grünes, mit Rahm verfeinerter Tilsiter ein gelbes Etikett. Der grüne und der gelbe Tilsiter sind sehr mild im Geschmack, der rote ist aromatischer.

Nährstoffe in Tilsiter

Energie: 1423kJ / 340kcal
Eiweiß: 24.41gFett (gesamt): 25.98g
Davon -gesättigte Fettsäuren: 16.775g
-Transfette:
Cholesterol: 102mg
Kohlehydrate (gesamt): 1.88gBallaststoffe: 0g
Zucker (gesamt):

Mineralstoffe:

Kalzium, Ca: 700mgEisen, Fe:
Magnesium, Mg: 13mgPhosphor, P: 500mg
Kalium, K: 65mgNatrium, Na: 753mg
Zink, Zn: 3.5mgKupfer, Cu: 0.026mg
Jod, I: Mangan, Mn: 0.013mg
Selen, Se: 14.5ug

Vitamine:

Vitamin C: 0mgVitamin B1 (Thiamin): 0.061mg
Vitamin B2 (Riboflavin): 0.359mgVitamin B3 / Vitamin PP (Niacin) 0.205mg
Vitamin B6 (Pyridoxin): 0.065Folate: 20mg
Vitamin B12 (Cobalamin): 2.1ugVitamin A (Retinol): 1045iu
Vitamin E (alpha-tocopherol):
Vitamin D (D2 + D3), International Units:
Vitamin K (phylloquinone):

Alle Angaben, soweit nicht anders angegeben, pro 100 g.
U.S. Department of Agriculture, Agricultural Research Service. FoodData Central, 2019. fdc.nal.usda.gov (Produkt im Detail). Alle Angaben ohne Gewähr.

 

Autor

  • Jürgen ist gelernter Koch und staatlich geprüfter Hotelbetriebswirt. Er war u.a. als Küchenchef in einem Hotel einer großen, internationalen Hotelkette tätig. Jürgen hat neben seinem Abschluss zum staatlich geprüften Hotelbetriebswirt, diverse Aus- und Weiterbildungen im Bereich Gastronomie absolviert. Er ist ist u.a. Träger des Meisterpreises der Bayerischen Staatsregierung und Anerkannter Berater für Deutschen Wein.
    Jürgen ist seit über 20 Jahren im Onlinebereich tätig. Seine Leidenschaft gilt nach wie vor den Bereichen Essen und Trinken, wo er sich besonders für traditionelle, unverfälschte Lebensmittel und Getränke, deren Herstellung und natürlich deren Genuss interessiert.

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Steckbrief Schweizer Tilsiter

Name: Schweizer Tilsiter
Gebietsschutz:
Herkunft:Milchart:Käseart:
Fettgehalt: 48% i.Tr.
Geschmack: mild, aromatisch
Aroma: milchig-sahnig